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Telemedi in Deutschland: Sprechstunde per Videochat

Wenn im Urlaub die Haut juckt und sich rötet, der Magen grummelt oder der Schädel brummt, würden viele vermutlich eine Online-Videosprechstunde mit ihrem Hausarzt begrüßen. Für deutsche Patienten ist das aber nicht ohne weiteres möglich. Denn Telemedizin, also die Behandlung mithilfe von Kommunikationstechnologien, ist in Deutschland streng reglementiert.

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Ärzten untersagt ihre Berufsordnungen etwa, reine Fernbehandlungen durchzuführen. Video-Sprechstunden und Diagnosen am Telefon sind demnach höchstens dann erlaubt, wenn die Patienten zu Beginn der jeweiligen Behandlung in der Praxis des Arztes waren.

Regeln für Ärzte ändern sich langsam

Doch es gibt Anzeichen dafür, dass diese Regelung sich bald lockern könnte. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg änderte im Juli 2016 bereits die Berufsordnung des Bundeslandes. Nun sind von der Kammer genehmigte Modellprojekte erlaubt, die „ausschließlich über Kommunikationsnetze durchgeführt werden“. Außerdem erhalten Ärzte ab Juli 2017 für jede Videosprechstunde Geld von den Krankenkassen – auch wenn der angepeilte Betrag vielen Ärzten noch zu gering ist. Derzeit können Arztpraxen die Beratung kostenlos durchführen oder sie als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) anbieten, also Geld von den Patienten verlangen.

Start-ups machen den Anfang

Die ersten Angebote, die Patienten wirklich nutzen können, kommen vor allem von Start-ups. Zwei Beispiele:

Über die Plattform www.patientus.de können Patienten mit rund 100 teilnehmenden Ärzten Videosprechstunden abhalten. Um nicht gegen die Berufsordnung für Ärzte zu verstoßen, müssen Patienten sich vorab von dem jeweiligen Arzt persönlich behandeln lassen. Alternativ sind reine Beratungs- und Zweitmeinungsgespräche möglich.

Auch www.arztkonsultation.de erlaubt Gespräche zwischen Ärzten und Patienten per Videokonferenz. Das Portal stellt nach eigenen Angaben „sicher, dass sich nur einander bekannte Ärzte und Patienten zur online Seh- und Sprechstunde treffen können“.


Telemedizin in der Schweiz: Medgate

Wie Telemedizin im größeren Stil aussehen kann, zeigt ein Blick in die Schweiz, wo weniger strenge Regeln gelten. Dort sitzt mit Medgate das nach eigenen Angaben größte telemedizinische Zentrum Europas. Laut Betreiber geben die rund 100 Medgate-Ärzte bis zu 5.000 Telekonsultationen am Tag.

Patienten können den Dienst zum Beispiel telefonisch kontaktieren. Mitarbeiter des Patientenempfangs nehmen die Anrufe entgegen und holen Personalien und Angaben zu Krankheitssymptomen ein. Innerhalb der nächsten halben Stunde ruft einer der Medgate-Ärzte den Patienten dann zurück und berät ihn. Geht es um Haut- oder Augenveränderungen, können Patienten mit dem Smartphone ein Foto machen und es dem Arzt schicken.

Beratung per Chat und Video

Das Ärzte-Team beantwortet auch innerhalb von 24 Stunden Fragen, die Nutzer über eine Textmaske eingegeben haben. Außerdem arbeitet Medgate mit etwa 200 Apotheken in der Schweiz zusammen. Apotheker und Patienten können von dort aus einen Medgate-Arzt per Videochat hinzuziehen. Ärzte stellen dann, falls nötig, direkt ein Rezept aus.

Die Kosten für Medgate übernehmen einige schweizer Krankenversicherungen für ihre Versicherten. Ansonsten zahlen Nutzer 100 Schweizer Franken im Jahr für die Mitgliedschaft, umgerechnet rund 94 Euro.

Stand: 9. Februar 2017